Vom Paar zur Familiengründung
Viele junge Paare äußern nach längerer Zeit den Wunsch, eine eigene Familie zu gründen. Damit geht die Vorstellung einher, den nächsten Schritt in der Beziehung zu machen und ein gemeinsames Kind zu bekommen. Dieser Wunsch ist vollkommen natürlich. Er dient dazu, die eigenen Gene weiterzugeben und erfüllt damit einen biologischen Sinn. Die Familie stellt den Raum dafür dar. Dieser ist für viele Paare erstrebenswert, auch wenn das klassische Familienmodell „Mama, Papa, Kind“ gesellschaftlich längst ausgedient hat.
Ein Kind bekommen, eine Familie gründen: Was genau bedeutet das?
Ein gemeinsames Kind verändert alles. Insbesondere die Prioritäten jedes / jeder Einzelnen verschieben sich. Auch wenn in der aktuellen Genderdebatte die Rollen von Vater und Mutter oder Vater und Vater oder Mutter und Mutter gleichermaßen verteilt werden sollten, ist es dennoch oftmals die Aufmerksamkeit der biologischen Mutter, die sich in den ersten Wochen zu einhundert Prozent auf das Kind richtet.
Das kann in einer Beziehung zu Konflikten führen, die sich oft erst später zeigen. „Das Paar gerät schleichend in eine Situation, die für beide Partner, Partnerinnen unüberwindbar scheint“, berichtet Helga Odendahl, erfahrene Paartherapeutin bei Paartherapie Köln im MVZ Köln für Psychotherapie GmbH Odendahl & Kollegen. „Die biologische Mutter versorgt das Kind rund um die Uhr. Frühere Rituale, gemeinsame Zeiten und Unternehmungen kommen zu kurz. Der Partner, die Partnerin fühlt sich vernachlässigt und ist frustriert.“ So entstehen Spannungen, die sich gar nicht recht in Worte fassen und daher nur schwer kommunizieren lassen. Oft fühlt sich der Partner, die Partnerin der Mutter, als würde diese sich sehr verändern. Dies ist nicht nur eine subjektive Wahrnehmung sondern tatsächlich biologisch zu erklären. In der ersten Zeit, nach dem das Kind geboren wurde, werden viele unterschiedliche Botenstoffe im Gehirn der Mutter ausgeschüttet, die das Gehirn einer Frau für lange Zeit verändern. Dadurch ändert sich auch zwangsläufig der Charakter eines jeden Menschen, der ein Kind bekommen hat. „Bei einigen Menschen fällt diese Veränderung, gekoppelt mit dem Stress, den ein Kind bedeutet, und der Tatsache, dass man sich in einer anderen Lebensphase befindet als zuvor, stärker aus als bei anderen. Dennoch ist sie für die Partner oder Partnerinnen oft unerklärlich, auch weil vielen nicht bewusst ist, dass sich vieles im Gehirn unbewusst ändert,“ erklärt Odendahl.
Die Mutter zwischen Parnter und Kind: eine schwierige Balance
Während sich der Partner oder die Partnerin der biologischen Mutter vernachlässigt fühlt, spürt die Mutter die Veränderung kaum. Ihre Aufmerksamkeit gilt dem Kind. Fordert der Partner oder die Partnerin seine bzw. ihre gewohnten Ansprüche, fällt es der Mutter schwer, ihre Aufmerksamkeit zu teilen. Erst jetzt spürt sie, dass sie den Partner, die Parnterin vernachlässigt hat. Hätte sie dies nicht getan, würde sie dem Kind nicht genug Aufmerksamkeit schenken. Es käme zu Bindungsschwierigkeiten zwischen Mutter und Kind. Die Balance, die vor allem von Seiten der Mutter aus notwendig ist, um zu verhindern, dass sich entweder die Beziehung zum Partner, zur Partnerin oder die Bindung zum Kind problematisch entwickeln, ist äußerst schwierig zu finden.
Paarzeit oder Familienzeit: Erfahrungen aus der Paartherapie
Einige Paartherapeutinnen und Paartherapeuten gehen davon aus, dass Paare und Familien zwei unterschiedliche Dinge seien, die nicht miteinander kombinierbar sind. In dieser Theorie schließen sich die Insitutionen Paar und Familie aus. Entweder akzeptieren Paare, dass ihre Zweisamkeit durch das Entreffen des Kindes vorbei ist. Oder: Sie lassen sich auf ein Leben ohne Kind ein und konzentrieren sich auf die Paargestaltung. Es ist hierbei wichtig, zu betonen, dass dies der Eindruck von Paartherapeutinnen und Paartherapeuten ist, die aus ihrer Erfahrung sprechen. Wissenschaftliche Studien zu diesem Thema gibt es nur wenige. Das liegt vor allem daran, dass es schwer ist, wissenschaftlich valide Fragebögen zu erstellen, die eine gute Basis für wissenschaftliche Arbeit liefern.
Über solch klare Entscheidungen hinaus -Kind ja oder nein- gibt es zahlreiche problematische Kombinationen, z.B.:
- Sie wünscht sich ein Kind, er möchte auschließlich mit ihr in die Zukunft planen
- Sie wünscht sich ein Kind, ist aber nicht davon überzeugt, dass er dies auch möchte
- Er wünscht sich ein Kind, traut sich aber nicht, dies anzusprechen
- Beide wünschen sich ein Kind, sind aber unsicher, ob sie gute Eltern wären
- Das Paar hat einen großen Altersunterschied
- Zwei Frauen wünschen sich ein Kind, wissen aber nicht, ob dies gesellschaftlich akzeptiert wird
- Zwei Männer wünschen sich ein Kind und stehen vor der Herausforderung zahlreicher behördlichen Auflagen
- u.v.m.
Sind sich die Partner, Partnerinnen nicht einig über den Kinderwunsch, müssen sie mit dieser Diskrepanz umgehen. Können diese Unterschiede überwunden werden? Also kann der Teil, der lieber zu zweit bleiben möchte, sich doch vorstellen, ein Kind groß zu ziehen? Oder: Kann der Teil mit Kinderwunsch auf dessen Erfüllung verzichten? Oft lautet die Antwort auf diese Frage leider: Nein.
Uneinigkeit über den Kinderwunsch führt oft zur Trennung
Der Wunsch nach Kindern ist bei den meisten Menschen tief im Unterbewusstsein verankert. Viele Paare, die diesen Wunsch nicht gleichermaßen empfinden, signalisieren nonverbal das Thema Trennung. Es geht letztlich um die persönliche Zukunftsplanung und eigene Verwirklichung und damit um eine unüberwindbare Differenz, auch wenn das Paar in vielen Bereichen des Lebens hervorragend miteinander harmonisiert.
Eine Paartherapie kann helfen, die Problematiken auszusprechen, die mit dem Thema Kinderwunsch einhergehen. Sei es die verschobene Priorität junger Eltern, der unausgesprochene Kindewunsch oder die Uneinigkeit über das Thema Kinder. Auch das Thema Trennung können Paartherapeutinnen und Paartherapeuten begleiten. Dabei ist wichtig zu betonen, dass der Erfolg einer Paartherapie maßgeblich von der Bereitschaft des Paares abhängt.
Für Leserinnen und Leser, die sich in diesem Text an irgendeiner Stelle wiedererkannt haben, kann eine Paartherapie durchaus eine Option darstellen. Zögern Sie nicht, einen Termin zu vereinbaren. Warten Sie nicht, bis Sie das Gefühl haben, dass es zu spät ist. Je früher Sie sich mit ihrem Partner, ihrer Partnerin für eine Paartherapie entschließen, umso höher sind die Erfolgsaussichten. Hier steht natürlich die Kommunikation mit Ihrem Partner im Vordergrund.
Hinweis: Der oben genannte Artikel ersetzt nicht den Besuch beim Psychologen, Arzt oder Therapeuten und ist nicht zur Selbsttherapie/-behandlung geeignet.