Immer häufiger trifft man auf Paare, die ihren Beziehungsstatus trotz jahrelangen Zusammenlebens nicht so recht benennen können oder wollen.
Es wird rumgedruckst…: „Eigentlich sind wir zusammen… aber auch nicht so ganz“.
Obwohl sich beide lieben und in einer dauerhaften, monogamen Beziehung leben, ist das Label „Partnerschaft“ tabu. Warum fällt es vielen so schwer sich festzulegen? In Zeiten des Internets und der Globalisierung ist fast alles zu jeder Zeit und an jedem Ort erhältlich. Das ermöglicht nicht nur eine unbegrenzte Auswahl, sondern auch eine permanente Verfügbarkeit. Hinzu kommen die Flexibilitätsansprüche des Arbeitsmarkts. Um den besten Job mit den größten Verdienstaussichten zu erhalten, muss man räumlich und zeitlich flexibel bleiben. Diese Einflüsse bleiben nicht ohne Auswirkung auf andere Bereiche des Lebens: z. B. auf die Beziehungen, die wir führen. Tinder und co. bieten ein nie erlebtes Angebot potentieller Partner für alle denkbaren Beziehungsformen. Warum sich also in einer fest definierten, klassischen Partnerschaft um seine Möglichkeiten begrenzen?
Genau darin kann das Problem liegen: der Gedanke etwas Besseres zu verpassen, das uns auf dem Weg der kompromisslosen Selbstverwirklichung bereichern könnte, hält uns von verbindlichen Statements ab.
Darüber hinaus sind sie mit Kompromissen und Anstrengungen verbunden, die wir am liebsten vermeiden möchten.
Dabei ist ein verbindliches „wir gehören zueinander“ für eine gut funktionierende Beziehung essenziell. Fragen wie: „Wer bin ich eigentlich für den anderen? Will er oder sie mich wirklich? Kann ich mich auf ihn oder sie verlassen, wenn es ernst wird?“ bleiben unbeantwortet und erzeugen mindestens in einem der beiden Partner ein gewisses Unwohlsein. Hinter dieser vielleicht altmodisch wirkenden Vorstellung der Verbindlichkeit verbirgt sich ein zeitloses, tiefes Bedürfnis des Menschen: das Bedürfnis nach Bindung und Sicherheit.
Der Wunsch nach einer zuverlässigen Bindung spielt bereits in unserer Kindheit eine wichtige Rolle.
In dieser erlebten Abhängigkeit benötigen wir Bezugspersonen, die sich kontinuierlich, sensibel und verlässlich um uns kümmern. Trotz aller Autonomie, die wir uns als Erwachsene wünschen, sind wir zutiefst auf andere angewiesen. Denn autonom sein bedeutet nicht autark zu sein. Um uns selbst als liebenswert und wichtig zu erleben, brauchen wir Beziehungen, in denen wir eingebunden sind und das Gefühl haben für jemanden „einzig“ am wichtigsten zu sein. Verbindlichkeit kann zwar keine Garantien ausstellen, aber sie stellt eine wichtige Grundlage für eine dauerhafte Liebe dar.
Quellenhinweis: Liebe auf Dauer, was Partnerschaft lebendig hält. Jellouschek, Hans; Verlag Herder GmbH; Freiburg im Breisgau, 2009. 4. Auflage 2013.
Hinweis: Der oben genannte Artikel ersetzt nicht den Besuch beim Psychologen, Arzt oder Therapeuten und ist nicht zur Selbsttherapie/-behandlung geeignet.