Zwang
Der Zwangsprozess
Ein destruktives Beziehungsmuster, welches in der Paartherapie immer wieder aufgedeckt wird, ist der Zwangsprozess.
Er beginnt meist mit dem Wunsch eines Partners, der andere möge etwas an sich ändern. Wird diesem Wunsch gar nicht oder nur vorübergehend Folge geleistet, so gibt der wünschende Partner nicht länger den Vertrauensvorschuss, der in einer Beziehung dabei hilft, sich dem Partner gegenüber auch in schlechten Zeiten positiv zu verhalten.
Dieser Vorschuss ermöglicht in einer gesunden Beziehung, dem Partner schlechte Tage und üblen Launen zu vergeben, weil man darauf vertraut, dass sich das Verhalten schnell bessern wird, und das der Partner im Gegenzug auch die eigenen Fehler und schlechten Tage toleriert. Ist dieses Vertrauen weg, so reagiert der erste Partner nun negativ auf den zweiten, welcher sich nun angegriffen und verletzt fühlt und seinerseits negativ reagiert. Beide Partner befinden sich nun in einer Spirale von negativen Interaktionen, und erwarten jeweils vom anderen den ersten Schritt in Richtung positiver Interaktion, da der andere „am Zug sei“.
Konflikte können zu jedem Zeitpunkt einer Partnerschaft auftreten, besonders vulnerabel für diese Form der Eskalation ist die Partnerschaft jedoch in Phasen der Veränderung.
Hierbei kann es sich um Veränderung der Beziehungsart sein, zum Beispiel der Übergang von fester Partnerschaft in die Ehe, oder auch die Geburt von Kindern oder der Übergang eines Kindes in eine neue Altersstufe, was für das Familienleben und auch für die Beziehung neue Herausforderungen mit sich bringt.
Auch andere einschneidende Lebensereignisse, wie ein Todesfall in der Familie oder im Freundeskreis, oder auch der Verlust der Arbeitsstelle, können die Beziehung auf die Probe stellen, und vulnerabel für eine Eskalation von Konflikten in den Zwangsprozess machen. Es ist hilfreich, wenn die Partner für diese Phasen sensibel sind, und in dieser Zeit besonders gegenseitig auf einander Acht geben.
Paare, die sich in diesem Prozess befinden, zeichnen sich durch verminderte, überwiegend negative Kommunikation, verminderte sexuelle Anziehung und verminderte Zufriedenheit mit der gesamten Beziehung aus. Zieht sich diese Muster zu lange hin, können Trennungsgedanken entstehen und ein Umsehen nach neuen Partnern beginnen.
Wird ein solcher Kreislauf in der Eheberatung aufgedeckt, so kann er dadurch gebrochen werden, dass einer der Partner dem anderen wieder einen Vertrauensvorschuss einräumt, und dessen mitunter noch für eine Weile negativ geprägtem Beziehungsverhalten mit positiven Interaktionsangeboten begegnet, und darauf vertraut, dass der Partner darauf bald wieder positiv reagieren wird. Wenn diese positive Reaktion bald eintritt, kann die Beziehung aus der Negativ-Spirale rausgeholt werden.
Quellenhinweis: Schinder, Hahlweg & Revenstorf (2006) Partnerschaftsprobleme. Heidelberg: Springer.
Hinweis: Der oben genannte Artikel ersetzt nicht den Besuch beim Psychologen, Arzt oder Therapeuten und ist nicht zur Selbsttherapie/-behandlung geeignet.